
Im Rahmen der Wanderausstellung vom 10.01. -23.02.2012 luden Dr. Broder Schwensen von der Gesellschaft für Stadtgeschichte und Prof. Gerhard Paul von der Universität Flensburg am 28.01.2012 zu einer Busrundfahrt zu vier Täter- und Opferorten in Flensburg ein. Die 4 Stationen waren:
1. Das Gebäude der Polizeiinspektion
2. Die Marineschule
3. Tremmerup – Asmus-Jepsen-Weg
4. Friedenshügel
Start war die EXE, wo ich mit vielen anderen bei trockenem, aber kaltem Wetter auf den Bus wartete. Neben dem Gefühl der Dankbarkeit, dass Herr Schwensen mir die Teilnahme noch ermöglichen konnte, war ich neugierig und gespannt, was mich wohl erwarten wird. Kurz darauf kam der Bus, und ich war froh, mich ein wenig aufwärmen zu können. Herr Schwensen begrüßte uns und wir fuhren zu unserer ersten Station, der Polizeiinspektion im Norderhofenden 1.
1. Polizeiinspektion
Nach kurzer Busfahrt steigen wir an der Polizeiinspektion aus. Wir werden durch einige Türen in den Sitzungssaal geführt. Hier hält Prof. Gerhard Paul einen Vortrag über die letzten Tagen des ausgehenden 3. Reiches und die Bedeutung des Gebäudes.
Mir vorzustellen, dass Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, mit einem Stab von Gefolgsleuten in Flensburg am 2. Mai genau hier eintraf und seine Besprechungen abhielt, jagt mir Schauer über den Rücken. Dr. Paul liest dazu eine lange, bedrückende Liste der Nationalsozialisten vor, die hier nach Flensburg flüchteten, unter Ihnen:
- höhere SS- und Polizeiführer,
- die gesamte Führungsriege der Konzentrationslager,
darunter Dr. med. Gebhard, Leibarzt Himmlers,
u.a. verantwortlich war für die pseudomedizinischen Versuche in den KZs,
- Rudolf Höß, ehemaliger Kommandant des KZ Ausschwitz,
- Otto Ohlendorf, Einsatzgruppenführer
und etliche Gestapo-Chefs, Beamte der Personalämter und deren Familien.
Warum kamen sie ausgerechnet nach Flensburg – habe ich mich gefragt. Im Laufe des spannenden Vortrags gibt Prof. Paul dazu die Antwort:
Sie kamen, weil sich hier die letzte Reichsregierung befand und weil man mitbekommen hatte, das die Engländer die Entnazifizierung nicht so scharf ausführten wie in der französischen und der sowjetischen Besatzungszone. Außerdem gab es hier die grüne Grenze nach Dänemark, um sich schnell absetzen zu können. Die Gruppe von ca. 150 Personen fiel dabei den Flensburgern nicht weiter auf, weil sie damals mit ganz anderen Dingen beschäftigt waren. Über 100.000 Menschen flüchteten in diesen Tagen nach Norddeutschland.
Während hier und in der Marineschule die hohen SS- und Gestapo-Angehörigen mit falschen Soldbüchern und Marineuniformen ausgestattet wurden und diese somit staatlich verordnete Deserteure waren, wurden einige der einfachen Marinesoldaten noch nach der Teil-Kapitulation Norddeutschlands u.a. wegen Befehlsverweigerung verurteilt und erschossen. Dazu sind in der Wehrmachtsausstellung auch Fallgeschichten aufgeführt, die dem ganzen für mich etwas sehr Aufwühlendes geben.
Nach dem Vortrag gehen wir weiter in den Hof im Innern der Polizeiinspektion in welchem Großadmiral Dönitz, Ex-Rüstungsminister Albert Speer und Generaloberst Alfred Jodl durch die britische Feldpolizei, der internationalen Presse vorgeführt wurden. Ebenfalls wurden hier Mitglieder der Regierung sowie hohe Beamte gefangen genommen, unter ihnen der Oberbürgermeister und der Polizeipräsident. Zusammen mit dem Pressesprecher der Polizeidirektion gehen wir in diesen Innenhof, wo ein Schild auf diesen denkwürdigen Tag hinweist. Dönitz und Jodl wurden von hier aus außer Landes gebracht.
Einer der Journalisten des amerikanischen Magazins „Time“ schrieb später:
„Das deutsche Reich starb am sonnigen Morgen des 23. Mai in der Nähe des Ostseehafens Flensburg.“
Wir verlassen den Hof und das Gebäude der Polizieiinspektion und gehen an der alten Post vorbei in den Hof dahinter, der sich in der Rathausstraße befindet. Hier war der Reichssender stationiert. Vor der Abschaltung durch die britische Besatzungsmacht, wurden hier die letzten Ansprachen von Rüstungsminister Speer, darunter die Teilkapitulation Norddeutschlands am 5. Mai 1945, übertragen. Aus dokumentierten Berichten von Zeugen erfahre ich, dass diese Ansprachen nicht nur lokal übertragen wurden, sondern zeitgleich auch in Prag und London zu hören waren.